Man könnte meinen, dass über queere Kategorisierung heute genug im Netz stehen sollte, aber im Grunde könnte es mehr sein. Andersdenkende und fühlende machen statistisch gesehen immerhin (2016) mehr als 7% der Bevölkerung in Deutschland aus.
Wenn man jetzt bedenkt, dass die Daten nur auf Befragungen fußen und Sexualität ja nicht nur binär (entweder heterosexuell oder homosexuell) gesehen wird, ist die Beschäftigung mit diesem Thema nach wie vor relevant.
Inhaltsverzeichnis
heteronormativ war gestern
Ich weiß nicht wieviele Menschen, die sich ganz klassisch normativ als heterosexuell sehen, sich über das Thema ohne Berührungspunkte überhaupt Gedanken machen würden.
Sie haben sich dazu entschieden ihren Ehepartner zu heiraten, vermutlich 2 Kinder zu bekommen, diese im Sinne der derzeitigen Gesellschaftsformen aufzuziehen und als Großeltern unterstützend der nächsten Generation zur Seite gestanden zu haben – soweit so gut.
Was ist wenn jetzt aber in der Kette schon eine „Anomalie“ aufgetreten ist? Spätestens da gibt es dann einen Reibungspunkt, der die bekannte Lebensweise hinterfragen lassen sollte.
Sexualität als Teil des selbst
Bei meiner Skizzierung bin ich natürlich in 3. Generation die Anomalie. In meinem Fall ist die Sachlage ebenso klar, wie bei meinen Vorfahren. So eindeutig wie sie hetero sind, bin ich lesbisch.
Ich bin in meinen 30ern und wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis im Schnitt nicht sehr viele „Nicht-Heteros“. Bis zum Studium kannte ich vielleicht flüchtig ein oder zwei Leute, die offiziell queer waren.
Jeder ist einzigartig
Ich werde nicht müde es immer wieder zu sagen: Menschen sind verschieden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass es diverse Abstufen des Sexualität gibt und in der Kinsey Skala festgehalten wurden. Die „Normalform“ bildet die Mitte und alles links davon geht Richtung Heterosexualität, alles rechts geht Richtung Homosexualität.
Homosexuell als Kind der 90er
Mir war in der 6. Klasse schon klar, dass ich keinen Mann will und keine Kinder austragen möchte und das habe ich jedenfalls in Teilen auch früh so kommuniziert. Bis ich das allerdings laut sagen, geschweige denn leben konnte, vergingen noch einige Jahre.
Als jemand, der in einer Kleinstadt sozialisiert ist, in denen es zu damaliger Zeit keine Szene gab, war es schwer überhaupt Erfahrungen zu machen.
Wollte man nicht als entarteter Paradiesvogel unter lauter Heimatvögeln leben, musste man sich „tarnen“. Also bin ich auf Partys auch mit Jungs in Kontakt gekommen, habe mehr oder weniger etwas flirten, tanzen und knutschen gelernt.
Auf Erfahrunggsuche
Erfahrungen im „Homo-Sektor“ zu sammeln stellte sich als große Herausforderung dar.
Das TV als Quelle:
Ich war erfreut, wenn das Thema im TV zu sehen war und habe dann immer versucht soviel wie möglich davon mitzubekommen. Allerdings gestaltete sich das auch schwierig, da ja niemand etwas davon mitbekommen sollte. Im Vergleich zu jetzigen Inszenierungen, war die Darstellung gerade in deutschen Serien und Filmen absolut dürftig und mangelhaft.
Ich erinnere mich noch daran, wie damals „The L-Word“ zunächst auf Pro 7 kam und ich das unbedingt sehen musste. Allein bei der Pilotfolge lief mir schon der Kopf an, weil ich das so ja nie gesehen hatte.
Heutzutage ist das Standard und man ist daran gewöhnt, dass es recht explizit und gut inszeniert ist.
Das Internet als Kommunikationskanal:
Ausgetauscht habe ich mich in Chatrooms und später mit einigen engen Freundinnen. Zu der Zeit hing ich so oft es ging im Internet. Nur blöd, dass es nur einen Rechner mit Internetanschluss gab und das kostete am Anfang ja auch noch mehr als heute. Trotzdem war es nicht gern gesehen bis tief in die Nacht vorm Rechner zu hocken und zu reden.
Homosexuelle Freunde als Erfahrungsschatz:
Als ich zum Studium ging, lernte ich endlich Leute kennen, die wie ich waren und darüber auch offen redeten. Einige von ihnen konnte ich Löcher noch und nöcher in den Bauch fragen und es gab auch echte Queer-Partys. Das war schon ein enormer Fortschritt.
lange Keine Kommunikation in der Familie
In meinem Elternhaus habe ich die Haltung zu dieser Thematik lange negativ empfunden und sparte es dadurch (so gut es ging) aus. Ich hielt es vor allen Menschen, die näheren Kontakt zu meiner Familie haben könnten, geheim.
Hin und wieder gab es da Situationen, die ich schwer erklären konnte, aber irgendwie hab ich es immer gebogen. 😅
Auch will ich nicht leugnen, dass das eine oder andere Manöver aus heutiger Sicht mit Risiken und vor allem jugendlichen Leichtsinn verbunden war.
Solange ich Single war, ging das auch alles. Mit meiner Frau änderte sich dann alles urplötzlich. Auf einmal sind da wieder viele erste Male, die es zu meistern gilt…und nein, es wurde nicht leichter mit dem Alter. Die elterliche Beichte erfolgte ja erst im Alter von 27, aber mit 17 wäre sie sicherlich ähnlich aufregend gewesen.
Das Ende kennt ihr ja. 😉
gesellschaft meets technik
Ich will nicht sagen, dass heute alles leichter ist, denn es gibt immer neue Herausforderungen.
Gerade habe ich gelesen, dass das Internet-Dating nun die Führung übernommen hat und sich somit mehr Leute online als offline verlieben. Überrascht hat es mich jetzt nicht, zumal es bei uns genauso war.
Allerdings glaube ich nicht, dass sich da viel bei den Andersliebenden getan hat. Bei den Männern gab es die sogenannten „Blauen Seiten“, also GayRomeo und bei den homosexuellen Frauen lesarion und später lesopia, wobei letzteres jetzt nicht so brauchbar war. Vermutlich gibt es sie deshalb nicht mehr.
Einige andere und neuere Seiten sind auch unter diesem Link zu finden. Dazu gesellen sich noch Formate wie GayParship und Elitepartner, die wohl auch sexuelle Präferenzen matchen. Sie wären ja auch dumm das nicht zu machen, weil es ihre Zielgruppe entsprechend vergrößert und mit der Liebe lässt sich immer gut Geld machen. 😉
In Relation zu den vergangenen Jahren, hat sich das Angebot allerdings nicht gerade groß gesteigert. Es ist vielleicht nicht mehr ganz so wie die Nadel im Heuhaufen zu finden, aber immer noch schwer genug. Dabei würde technisch und auch vom gesellschaftlichen Rahmen sicher viel mehr möglich sein.
Was positiv ist, dass sich in der Zeit einiges in der Präsenz getan hat, jedenfalls bilde ich mir das ein. Wenn mir gesagt wird, dass sich sogar in meiner Heimatregion nun ein Verein gegründet hat, dann heißt das schon was. 😀
Primaten der Moderne
Einige Vorurteile zur lesbischen Lebensweise, die ich selbst oder andere in meiner Umgebung schon gehört haben, liste ich hier mal mit einem kurzem Statement auf:
Klischee 1: „Lesben hassen Männer“
Wie hat ein Freund mal so schön gesagt: „Ich hasse keine bestimmte Menschengruppe, sondern alle Menschen.“
Und weniger sarkastisch meint das im übertragenen Sinne, dass mir die meisten Menschen egal sind. Alle dürfen gerne machen, was sie wollen, wie sie es wollen und so oft sie es wollen. Solange es dabei ethisch vertretbar oder niemand anders zu Schaden kommt und wenn jemand „zu Schaden kommt“, dann bitte einvernehmlich. 😉
Einige Männer (in den 50er und 60er Jahren geborenen) werden in der Regel von mir weniger gemocht, weil sie offen Ablehnung und Unverständnis zeigen, sich auf ihre eigene Erziehung stützen und sich dadurch weniger weltoffen zeigen.
Wenn man die Dinge sieht, wie sie sind, könnten gerade diese Männer ganz hervorragend mit lesbischen Frauen auskommen. Sie haben doch immerhin einiges gemeinsam. 🙂
Klischee 2: „Lesben sind emanzen/Feministinnen“
Nur weil man emanzipiert oder vermutlich auch Feminstin ist, heißt das noch lange nicht, dass einen das zu einer Lesbe macht. Lediglich möchte Frau nicht schlechter gestellt sein als ein Mann. Menschen haben durchaus gleichwertige Talente, egal worum es dabei geht. Es gibt furchtbare Mütter und liebevolle Väter, so kann man das auf jeden Bereich ausweiten. Diese Dinge also geschlechtsspezifisch zu gestalten ist ohnehin unlogisch.
Klischee 3: „Lesben haben keinen mann abbekommen“
Das wurde mir und meiner Frau auch tatsächlich schon ins Gesicht gesagt, als wir Hand in Hand in Berlin unterwegs waren. Die Äußerung könnte man auch wunderbar mit dem Gedanken an einen Dreier paaren, da die Männer sich ja da gern dann im Fokus sehen.
Der aktuelle Stand der Wissenschaft geht davon aus, dass sexuelle Neigungen angeboren sind.
Ich denke auch nicht, dass sie da zu einem anderen Kenntnisstand gelangen, denn es ist eben da.
Einige werden sich aus verschiedenen Gründen in eine heterosexuelle Beziehung begeben und erst viel später merken, dass einem etwas fehlt.
Mögliche Gründe:
- Gesellschaftsform
- Kinderwunsch ohne Umwege (wobei das auch nicht sicher ist)
- Angst vor einem „unkonventionellen“ Leben
Wir verlieben uns in Menschen eines Geschlechts, nicht in ein Geschlecht allein. Bzw. reicht es manchmal auch einfach schon bestimmte körperliche Merkmale anziehender als andere zu finden.
Klischee 4: „Lesben haben gar keinen sex“
Alles was zwei Menschen einvernehmlich miteinander körperlich teilen und sie glücklich macht, sehe ich als intime sexuelle Handlung an.
Im Grunde lässt es sich für mich einfach runterbrechen auf: wer (einvernehmlich) erregt, hat Recht. 😉
Weitere Klischees im Netz
Es gibt noch so viele Klischees, diese aber alle zu nennen sprengt definitiv den Rahmen, daher bekommt ihr hier bei Bedarf noch ein paar recht amüsante Videos.
Klischees über Schwule und Lesben (Part 1)
Klischees über Schwule und Lesben (Part 2)
„wehret den anfängen“
Bei einigen Quellen wird mich zuviel auf Mainstream-Serien und Filme eingegangen, wo mal zufällig jemand schwul oder lesbisch ist, es aber in der Handlung nur ein nettes Schmankerl ist und im Grunde nicht weiter relevant. Statt dem Quoten-Schwarzen oder der Quoten-Frau, haben wir da jetzt eben oftmals Quoten-Queers …juhu, wie absolut nicht vorhersehbar…! 😑
Ich nenne hier primär Material lesbischen Inhalts, der der Entdeckung der Identität dient:
Filme
Tipping The Velvet
Fingersmith
Tomboy
Women Love Women
The Danish Girl
Blau ist eine warme Farbe
The Hours
Aimee & Jaguar
Serien
The L-Word
Sense 8
Bakerstreet
Transparent
YouMeHer
The Fosters
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und Biographien oder Lebenswerke von Persönlichkeiten aufnehmen.
Wichtige Persönlichkeiten wie Freddy Mercury, Elton John, Boy George, Lady Gaga, Samantha Fox und Sinead O’Connor, die alle erst einmal eine Rolle spielen und sich dann erst getraut haben zu sein, wer sie sind. Die Liste könnte man beliebig auf andere Bereiche ausweiten, aber ich denke, der Punkt ist klar.
Um darüber zu reden und sich stark zu machen ist es auch nicht nötig selbst danach zu leben. Es gibt Stars wie P!nk, die eine starke homosexuelle Community haben (zu der wir auch gehören) und die absolut hinter dieser steht.
Ich finde, dass man auch hier ein gewisses Wissen und Respekt gegenüber denen haben sollte, die ermöglicht haben, dass es immer leichter wird offen damit umgehen zu können.
Gerade die frühere Schwulenszene hat da eine Menge gemacht, damit das jetzt so ist. Lesben hat doch früher kaum jemand interessiert, denn sie sind weitestgehend unterm Radar durchgeflogen.
Wenn ich an Personen denke, die jetzt in ihren 60ern oder 70ern sind kann ich mir nur im Ansatz vorstellen, wie es gewesen sein muss, dass Homosexualität verfolgt wurde und die Menschen Angst hatten, dass es jemand herausfindet.
Die heutige Zeit macht unser Leben, wie es jetzt ist, erst möglich und für diesen Wandel bin ich dankbar. 🙂
Interessante Quellen
YouTube
Rainbow Love
OKAY
CoupleontourX
Podcast/Blogs
frauverliebt.de
rainbowfeelings.de
Queer Comedians
Tahnee
Anika Hoffmann
Autorin
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Schon als Kind war ich verzaubert von der Musik und Technik, die mir erlaubte noch mehr Klänge zu hören.
In der Schule, gerade im Abitur, lernte ich Worte immer mehr zu schätzen und hinterfrage Sprache, Worte und Zeichen aktiv.
Ab 2017 trat dann der Komplex Gesundheit vermehrt in unser Leben.
Primär werde ich zu diesen meine Gedanken kundtun. Mit zunehmender Beschäftigung damit fiel mir auf, dass diese Bereiche nicht so voneinander abgegrenzt sind, wie man vielleicht denken könnte.
Das eine führt zum nächsten und alles verbindet sich.